
Kaisertreu
Zu Kaisers Geburtstag wird in Bad Ischl jährlich ein großes Fest gefeiert, das auch zahlreiche Schaulustige anzieht. Für Landsmannschafter finden die Höhepunkte zu diesem Anlass aber in Graz und Wien statt.
Im Jahr 1848 erhoben sich nicht nur Arbeiter, Handwerker und andere arme Bürger, um gegen soziale Missstände anzukämpfen und gegen die Vorherrschaft des Adels auf die Barrikaden zu gehen, sondern auch Corps-Studenten schlossen sich ihnen an und gründeten die Akademischen Legionen, die insbesondere gegen die Metternich’sche Zensur protestierten. Erst unter Kaiser Franz Joseph wurden die ersten katholischen Studentenverbindungen gegründet. Deren Wiege stand – wie könnte es anderes sein – im Heiligen Land Tirol. Die älteste Hochschul-Korporation im heutigen ÖCV ist die 1864 gegründete A.V. Austria Innsbruck. Die älteste Pennal-Verbindung ist die 1876 entstandene K.Ö.St.V. Teutonia Innsbruck, die somit nächstes Jahr ihr 150. Stiftungsfest feiern kann. Ihr folgten im Bereich des heutigen MKV zwei weitere Gründungen in Tirol, eine in Linz und eine in Salzburg, bevor 1902 die K.Ö.St.V. Herulia als älteste, noch bestehende Wiener Mittelschulverbindung entstand. Auf Hochschulebene waren die Wiener schneller und riefen bereits 1876 die K.Ö.St.V. Austria-Wien und 1883 die K.a.V. Norica ins Leben, bevor am 18.8.1888 die Gründung der K.Ö.H.V. Carolina Graz genehmigt wurde. Dem Vernehmen nach bekennen sich viele Grazer Carolinen auch heute noch zu ihrer Geschichte, sind stolz darauf beim Begräbnis von Kaiserin Zita chargiert zu haben (obwohl die wertvolle alte Verbindungsfahne dabei Wasserflecken abbekam) und feiern jährlich an Kaisers Geburtstag, also mitten in der Ferialis – ihr großes Gründungsfest, das ein Höhepunkt für viele Grazer Couleurstudenten ist. Auch die Austria Wien war seinerzeit kaisertreu und gründete u.a. anlässlich der Regierungsjubiläen von KFJ im Jahr 1898 die K.Ö.St.V. Rudolfina und 1908 die K.Ö.St.V. Aargau. Im Unterschied dazu sind die Katholischen-österreichischen Landsmannschaften bekanntlich erst ab 1922 entstanden. Neben den zehn Angehörigen des Akademischen Bundes der KÖL gibt es auch fünf Mittelschul-Landsmannschaften, die dem MKV angehören. Die älteste davon ist die K.Ö.M.L. Tegetthoff Wien, die vier anderen befinden sich in Graz und Umgebung. Unsere Freundschaftsverbindung K.Ö.M.L. Alpinia-Styria Graz wurde 1952 und die K.Ö.M.L. Normannia Graz 1958 gegründet, danach entstanden 2002 die K.Ö.M.L. Leopoldina Graz und 2003 die K.Ö.M.L. Austria Rein, welche ihren Sitz im Stift Rein, in Gratwein-Straßengel, hat. Diese fünf Verbindungen feierten heuer eine Premiere.
Anlässlich des 195. Geburtstages von Kaiser Franz Joseph luden alle Katholisch-österreichischen Mittelschul-Landsmanschaften am Samstag, den 16. August 2025, zur ersten gemeinsamen KÖML-Kneipe auf die Bude der Alpinia-Styria ein. Als Auftakt fand eine – trotz kurzzeitigen Nieselregens – gemütliche Grillerei im großen Garten der ASG statt, bei der sich deren hoher Ph-x, Kb Philos, persönlich als Grillmeister betätigte und für das Wohl der anwesenden Bundesbrüder und Gäste sorgte. Ich bedankte mich bei ihm für seine persönliche Einladung mit einem Mitbringsel aus Wien, einer Flasche Rum, welche zwar die Aufschrift „Schönbrunn-Vienna“ trägt und mit dem Bildnis der „Kaiserin“ Maria-Theresia verziert ist, aber – wie sich erst bei näherer Betrachtung herausgestellt hat – in der Südsteiermark produziert wurde. Nachdem alle gesättigt waren übersiedelten die Anwesenden vom Hof auf die Bude im Keller des Hauses. Der relativ kleine, aber äußerst urigen Kneipraum der Alpinen, war gleich ab Beginn bis auf den letzten der rund vierzig Plätze voll besetzt, was bei Teilnehmern von vier Verbindungen aus der Umgebung auch kein Wunder ist. Aus Wien waren hingegen nur meine Gattin Cd Margarethe und ich, als einziger Vertreter der Tegetthoff (aber ohne offiziellen Auftrag) angereist, da es offenbar bei der Terminvereinbarung für die gemeinsame Kneipe organisatorische Missverständnisse gegeben hatte und daher leider keiner unserer Aktiven oder AHAH an diesem Tag Zeit gehabt hat. Umso mehr freute es mich meinen doppelten Bb Dr.cer. Gambrinus anzutreffen, der vom Familienurlaub in Kärnten nach Graz gekommen war. Er hielt im Rahmen der Kneipe in seiner Eigenschaft als MKV-Vorsitzender eine kurze Ansprache, in der er unter anderem zum Ausdruck brachte, dass es schön wäre, wenn diese KÖML-Kneipe auch in den folgenden Jahren eine Fortsetzung fände. Das Vierfachpräsidium schlug eine stimmungsvolle Kneipe und während der Colloquien sorgten die Bierfuchsen (bzw. Burschen) der vier Korporationen abwechselnd dafür, dass niemandem der Stoff ausging. Zur Begrüßung wurde der Cantus „Als ein Bollwerk festen Mutes“, mit einem Text von Gertrud Fussenegger*) nach der Melodie der Volkshymne, gesungen, wohingegen nach dem Letzten Allgemeinen auf das Absingen der Volkshymne verzichtet wurde, da das „fünfte Prinzip“ in der Steiermark nicht von allen Mittelschul-Landsmannschaften gepflegt wird. Zum Abschluss wurde noch ein kurzes und sehr unterhaltsames Inofficium abgehalten, bei dem die Corona nur mehr schwer zu bändigen war.
Gleich am Tag darauf, am Sonntag, den 17. August 2025, fand in Wien auf der Bude der K.Ö.L. Carolina zum fünften Mal der Kaiserheurige aus Anlass des Geburtstages von Kaiser Karl statt. Dabei gab uns Bb Babo zum dritten Mal die Ehre uns mit Produkten aus seinem Weinkeller sowie mit Speck-, Wurst- und Käse-Spezialitäten zu verwöhnen, die er seiner Verbindung spendete. Für die edle Verkostung unter Babos fachkundigen Erläuterungen bedankten sich die Teilnehmer mit angemessenen Geldspenden zugunsten der Korporation. Die Anzahl der Anwesenden – vorwiegend Doppelmitglieder mit deren Gattinen – war für unsere Verhältnisse durchaus zufriedenstellen, zumal sich auch Bb Hagen mit Ks Beatrix und einer weiteren Ks der PRV sowie Dr.cer. Kolibri (St, BOW) die önologischen und kulinarischen Köstlichkeiten nicht entgehen ließen. Ob weitere potentielle Teilnehmer durch die diesmal am selben Tag (statt wie traditionell am 18.8.) angesetzte Kaiserkneipe der Josephina abgehalten wurden, ist nicht bekannt. Allen Bundesbrüdern, die sich diese fulminante Veranstaltung entgehen ließen, ist aber wahrlich etwas entgangen. In Zukunft wird man sich aber vielleicht noch genauer überlegen müssen, welche persönlichen Prioritäten man setzt, wenn an den beiden Kaisergeburtstagen im August womöglich sowohl in Wien, als auch in Graz je zwei Veranstaltungen stattfinden.
DDr.cer. Raffael
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*) Getrud Fussenegger (+ 1912 / + 2009) war eine österreichische Schriftstellerin, die für ihr literarisches Schaffen zahlreiche Ehrungen (u.a. 2002 das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich, 2004 das Ehrenzeichen des Landes Tirol und 2007 das Komturkreuz mit Stern des päpstlichen Silvesterordens) erhielt. Da sie bereits 1933 der österreichischen NSDAP beitrat, 1934 für den Hitlergruß bei einer Demonstration verurteilt wurde und 1938 nach dem Anschluss in die (deutsche) NSDAP aufgenommen wurde und einen Hymnus an den Führer verfasst hat, war sie laut Wikipedia nicht unumstritten. Aber das scheint ihrer späteren „Ehrwürdigkeit“ keinen Abbruch getan zu haben. Heimat bist du großer Töchter …?
P.S.: Diese kritische Anmerkung bezieht sich nur auf die Person der Autorin, nicht aber auf das gesungene Lied, das zum allgemeinen couleurstudentischen Liedgut zählt und auch bei uns gelegentlich verwendet wird.
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