Blech-Blog

Wenn alle untreu werden …

Keine Angst, es geht nicht schon wieder um die politische Bedeutung dieses Liedes und auch nicht um eheliche Verfehlungen, sondern vielmehr darum, dass sich beim Doppelpasch-Stiftungsfest sehr deutlich zeigte, wer wirklich zu unseren Farben steht.

Stifungsfest_Jubilare

Am 18.10.2024 feierte die K.Ö.L. Carolina ihr 88. und die K.Ö.M.L. Tegetthoff ihr 99. Stiftungsfest – daher „Doppelpasch“. Die Veranstaltung wurde diesmal ganz bewusst eine Woche früher als in den letzten Jahren angesetzt, um einen Terminkonflikt mit den Herbstferien zu vermeiden, welche von Familien mit Schülern oder Pädagogen gerne für Reisen genutzt werden. Das Ergebnis war überraschend und ernüchternd zugleich. Während Carolina ein kräftiges Lebenszeichen setzte und mit so vielen Bundesbrüdern wie schon lange nicht vertreten war, war es für Tegetthoff – ein Jahr vor dem großen Jubiläum – das am schlechtesten besuchte Stiftungsfest seit langem. Insbesondere von den im letzten Jahrzehnt neu aufgenommenen „jungen“ Band- und Ehrenphilistern fehlte bis auf die zwei Amtsträger jede Spur. Überhaupt wurde die Gruppe der unter 60-jährigen Altherren, der immerhin mehr als ein Drittel unserer Philister angehören, nur durch einen einzigen Bundesbruder repräsentiert, während von den älteren Jahrgängen jeder Dritte anwesend war. Von den über 75-jährigen Urphilistern bewiesen sogar mehr als die Hälfte wie wichtig ihnen die Tegetthoff ist und was echte Treue bedeutet!

Als Lichtblick erwies sich unsere Fuchsia, von denen zwar leider einer krankheitsbedingt fehlte, aber dafür hatten die beiden anderen einen Spefuchsen in den Farben ihrer Urverbindung im Schlepptau. Dieser war – abgesehen von unserer Fahnenmutter Ks Elektra (BAB) und zwei weiteren treuen Couleurdamen – der einzige Gast, da diesmal sämtliche Freundschaftsverbindungen sowie Vertreter anderer Korporationen gänzlich fehlten. Dessen ungeachtet war die Stiftungsfestkneipe sehr gut gelungen und äußerst stimmungsvoll. Das Präsidium teilten sich Dr.cer. Archimedes, in seiner Eigenschaft als Phil-xx der Carolina und AH Lucullus als Phil-x der Tegetthoff. Dieser hatte extra zur Feier des Tages die alte Seniorats-Bänderweste angelegt und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass bereits das nächste Stiftungsfest von der Aktivitas geschlagen wird. Weiters verzichtete er zur Halbwichs auf die commentmäßig vorgesehene Kopfbedeckung, um die „Einweihung“ unserer frisch restaurierten Cerevis der künftigen Aktivitas zu überlassen. Im Laufe der Kneipe wurden die verdienten Bundesbrüder AH Bergschratt und AH Nöhsel mit dem 100-Semester-Jubelband geehrt. Beide waren in den 1970er-Jahren als Aktivensenior tätig und hatten im Lauf der Zeit auch noch andere Chargen inne, Nöhsel war zuletzt vor rund zehn Jahren Philistersenior. Danach überraschte Dr.cer. Mauritius die Corona mit einem von ihm gebastelten Geburtstagsgeschenk zum 99er: Er hat eine Tafel in Form des alten MKV-Dreiecks in den Farben der Verbindung mit farblich dazu passenden Bierdeckeln bestückt und zusätzlich auch für die tristen Kellergänge einen insgesamt acht Meter langen Wandschmuck mit Bierdeckeln angefertigt und die Füchse genau instruiert wie sie diesen befestigen sollen.

Bierdeckel

Zur Einleitung der vom Autor dieser Zeilen gehaltenen Festrede wurde das Landsmannschafterlied gesungen, das von wld. Hans Pittioni vlg. Wiegand im Gründungsjahr der Tegetthoff für den ersten Bund der K.Ö.L. geschrieben worden und erst später vom Akademischen Bund der Landsmannschaften übernommen worden war. Beim abschließenden Letzten Allgemeinen musste die Fuchsia auf die Unterstützung des schon früher gegangenen Fuchsmajors verzichten und nach der Volkshymne und dem Ende des Offiziums um 22 Uhr verabschiedete sich auch der Großteil der übrigen Kneipteilnehmer. Eine kleine Gruppe blieb noch ein weiteres Stündchen zu Plaudereien an der Kombüsen-Bar stehen und stellte dabei erstaunt fest, dass alle vier bis zum Schluss anwesenden Bundesbrüdern Carolinen, aber nur zwei davon auch Tegetthoffer sind.

Da die Stiftungsfestrede laut übereinstimmender Aussage mehrerer Bundesbrüder sehr gut gefallen hat, möchte ich sie auch den an der Teilnahme verhinderten Personen nicht vorenthalten und daher nachstehend in schriftlicher Form zum Nachlesen zur Verfügung stellen:

„Hohes Präsidium, hohe Festcorona!

Wir feiern heuer nicht nur ein, sondern gleich zwei besondere Stiftungsfeste: Da man beim Würfeln einen Wurf mit zwei gleichen Augenzahlen einen Pasch nennt, haben wir das diesjährige Jubiläum sinngemäß als Doppelpasch-Stiftungsfest bezeichnet. Die K.Ö.L. Carolina feiert – diesmal eine Woche vor dem gewohnten Datum des Publikationskommerses – ihren 88. Gründungstag. Die Zahl 88 setzt sich formal aus vier Kreisen zusammen und steht daher rein optisch für den „rundesten“ Geburtstag, den man sich vorstellen kann. Die K.Ö.M.L. Tegetthoff ist bekanntlich um 11 Jahre älter und  begeht – wie seit vielen Jahren üblich etwas zeitversetzt – das 99. Stiftungsfest. Genau genommen befinden wir uns aber bereits mitten im 100. Jahr unseres Bestehens, welches schon in sieben Monaten groß gefeiert werden soll. Ich möchte meine gedankliche Reise deshalb ganz von vorne, mit der Gründung der Tegetthoff, beginnen.

Nach der im Oktober 1922 als Vaterländische katholisch-deutsche akademische Verbindung gegründeten Maximiliana und der im März 1923 entstandenen Katholisch-vaterländischen Studenten­verbindung Habsburg-Lothringen, war Tegetthoff die dritte Studentenverbindung mit ähnlichem Gedankengut, aber die erste, die schon bei ihrer Gründung am 13. Juni 1925 – als Unterscheidung zu den deutsch-nationalen Burschenschaften – die Bezeichnung „Katholisch-österr. Landsmannschaft“ trug. Dieser Name geht auf Josef Plöchl zurück, der leider kurz vor unserer Gründung verstarb und daher selbst nicht mehr Mitglied werden konnte. Zu den Gründern zählte neben seinem Sohn Willibald Plöchl vlg. Ulfilas auch dessen späterer Schwager Hans Pittioni vlg. Wiegand.

Aber warum trägt unsere Verbindung überhaupt den Namen Tegetthoff und ist nicht wie manch andere nach einem Herrscher benannt? Soweit mir bekannt ist, gibt es darüber keine gesicherten Aussagen und auch ich selbst habe verabsäumt unseren Gründer Dr.cer. Ulfilas, den die meisten der etwas älteren Bundes­brüder ja noch persönlich gekannt haben, je danach zu fragen. Es sei mir deshalb gestattet eine Vermutung anzustellen:

Wilhelm von Tegetthoff, gelang es mit seiner kleinen und technisch unterlegenen Flotte sowohl vor 160 Jahren bei Helgoland, als insbesondere auch im Jahr 1866 vor Lissa, wesentliche militärische Erfolge zu erzielen. Deshalb könnte er das Vorbild für eine Gruppe von bekennenden Österreichern gewesen sein, welche – entgegen dem allgemeinen Zeitgeist – die Republik in Anbetracht der versprochenen, aber nicht durchgeführten Volksbefragung als unrechtmäßig ansah und daher nach dem frühen Tod Kaiser Karls auf das gemeinsame Ziel der Wiedererrichtung einer Monarchie mit Erzherzog Otto als neuen Kaiser hinarbeitete.

Da ein Teil unserer Gründer zu diesem Zeitpunkt noch eine Realschule besuchten, wurde das kleine Schiff Tegetthoff als gemischte Verbindung von Hoch- und Mittelschülern vom Stapel gelassen. Man schloss sich kurz darauf mit der bereits im März 1925 in Katholisch-österreichische Landsmannschaft umgetauften Habsburg-Lothringen zu einem kleinen Flottenverband zusammen und legte am 22. November desselben Jahres gemeinsam bei einem Restaurant in der Wickenburggasse an, um am Geburtstag von Erzherzog Otto einen Kaiser-Kommers zu schlagen. Am folgenden Tag wurde die erste Bundestagung der (damals noch nicht akademischen) K.ö.L. abgehalten, anlässlich welcher der erste Bundessenior, Hans Pittioni, das Landsmannschafterlied dichtete. Dieses wurde im Folgejahr von Karl Ballaban vertont. Dieser war ein Schulkamerad von Ulfilas und erhielt 1927 die Ehrenmitgliedschaft Tegetthoffs verliehen.

Von den weiteren Fahrten des „Schulschiffs“ Tegetthoff ist leider kaum etwas überliefert. Nach der Fusion von Maximiliana mit Habsburg-Lothringen im Jahr 1927 sowie der Gründung der K.Ö.L. Starhemberg im Juni 1933 entstand der AKADEMISCHE Bund Kath. österr. Landsmannschaften. Da mittlerweile alle Tegetthoffer bereits Hochschulreife erlangt hatten, hielt man eine Mittelschüler-Verbindung für über­flüssig und die Tegetthoff wurde abgewrackt. Etwa zur gleichen Zeit wurde in der Werft an einem neuen Schiff zu Ehren des letzten Kaisers, Karl von Österreich, gebaut, für das man einige Teile weiterverwenden konnte. Die Hauptsegel der Tegetthoff wurden in etwas anderer Reihenfolge zusammengenäht und das schwarz-blaue Focksegel wurde einfach umgedreht. Es erinnert daher – ebenso wie die übernommene Fuchsenstrophe – noch heute an die gemeinsamen Wurzeln.

Am 30. April 1936 wurde „Seiner Majestät Schiff“ K.Ö.L. Carolina zu Wasser gelassen. Aber bald darauf brachen äußerst stürmische Zeiten an. Einige Besatzungsmitglieder der Landsmannschaften wurden von den Unwettern in ferne Länder vertrieben und manche wurden bedauerlicherweise sogar über Bord gespült und versanken in den dunklen Wassern. Die Schiffe mussten ins Trockendock verbracht werden, wo sie mehrere Jahre vor sich hin rosteten. Doch sobald sich der Sturm verzog, wurden sie der Reihe nach wieder auf Hochglanz poliert und startklar gemacht. Bereits im Oktober 1945 wurde die Restitution der Carolina beschlossen, die vereinsbehördliche Auslauf-Genehmigung ließ noch bis Juni 1946 auf sich warten. Schon nach kurzer Zeit konnten 20 aktive Besatzungsmitglieder angeworben werden, welche dazu beitrugen, dass die Reise in den nächsten zwölf Jahren weitergehen konnte. Wesentlich länger dauerte es, bis die ehemaligen Gründer und einige weitere Bundesbrüder aus anderen Landsmannschaften sich an die Tegetthoff erinnerten und dieses kleine Schiff wieder auf Vordermann brachten. Erst am 21. Mai 1953 wurde es als Prototyp der neuen Klasse „Kath. österr. Mittelschul-Landsmannschaft“ erneut vom Stapel gelassen, um sich im Jahr 1954 dem großen Flottenverband des MKV anzuschließen.

Nach weiteren Auf und Abs im Wellengang unserer beiden Verbindungsgeschichten kam es wenige Jahre später zu einem neuen Problem für alle Landsmannschaften, da sich der Horizont verdunkelte und der für die Navigation so wichtige Nordstern nicht mehr zu sehen war. Otto von Habsburg hat im Jahr 1958 seine erste Verzichtserklärung abgegeben und sich zur Republik Österreich bekannt. Es sollten zwar noch fast zehn Jahre vergehen, bis dies von allen Instanzen anerkannt wurde und er – unter Protest der Linken, allen voran der Gewerkschafter – nach Österreich einreisen konnte, aber alle legitimistischen Organisationen hatten dadurch ihren Leitstern verloren und sie wussten nicht mehr, ob sie weiterhin unter der schwarz-gelben oder doch unter der rot-weiß-roten Flagge fahren sollten. So schlitterten sie mehr oder weniger in die Krise. Die Carolina strandete 1957 auf einer Sandbank und geriet in Vergessenheit. Der Tegetthoff erging es ein wenig besser, sie dümpelte nach 1965 in ruhigen Gewässern dahin und die 1969 verbliebenen Veteranen suchten einige Jahre vergeblich nach jungen Matrosen, die das Schiff wieder flott machen sollten. Erst 1973 wurden sie fündig und vier junge Mittelschüler heuerten an. Sie setzen die Segel und von da an ging es mit frischem Wind voran. In der Blechturmgasse wurde ein neuer Heimathafen gefunden und aus Euphorie über den Neustart machte sich ein Teil der Besatzung schon wenig später auf die Suche nach der sagenhaften, verschollenen Carolina und wurde fündig. Auch sie wurde 1976 wieder in Betrieb genommen und so segeln die beiden Schwesternschiffe nunmehr seit beinahe 50 Jahren die meiste Zeit einträchtig nebeneinander.

Mittlerweile sind die alten Offiziere, welche die Schiffe trotz einiger Klippen und einer immer kleiner werdenden Mannschaft gut in Schuss gehalten und erfolgreich in die Gewässer der Gegenwart geführt haben, aber müde. Doch sie haben die Hoffnung nicht aufgegeben und es zeigt sich wieder Licht am Horizont. Eine neue Generation von Matrosen steht bereit, um das Ruder zu übernehmen und hat hoffentlich genug Kraft, um mit Tegetthoff die Fahrt in die nächsten 50 Jahre fortzusetzen – und es wäre schön, wenn im Kielwasser auch Carolina folgen könnte.

Ad multos annos, dixi !“

Text : DDr.cer. Raffael
Bilder: AH Ovidius

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