Blech-Blog

Dankbarkeit

Der Herbst ist allerorts die übliche Jahreszeit für Erntedank-Feiern. Aber Dankbarkeit ist nicht nur in der Landwirtschaft, sondern in allen Bereichen des Lebens von großer Bedeutung.

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Die Kaisermusikanten und …
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… die Erntekrone vor der Hofburg

In der Großstadt Wien sind sich viele Menschen gar nicht bewusst, welch enorme Bedeutung die Landwirtschaft für unser tägliches Leben hat. Manche Kinder haben angeblich noch nie im Leben eine lebende Kuh gesehen oder gar beim Melken zugeschaut und glauben daher die Milch kommt aus dem Packerl, welches die Eltern im Supermarkt kaufen. Zugegeben, die meisten werden Kühe vermutlich zumindest aus Bilderbüchern oder dem Fernsehen kennen und hoffentlich auch wissen, dass diese in natura nicht lila sind. Aber wie vielen Bewohnern der innerstädtischen Bezirke ist bewusst, dass die am Stadtrand gelegenen Betriebe der Wiener Bauern teilweise sogar mehr Gemüse erzeugen als in unserer Stadt gegessen wird? Fast ein Fünftel des Wiener Gemeindegebietes wird landwirtschaftlich genutzt, jedoch wird dieser Anteil aufgrund der zahlreichen Bauprojekte, die – entgegen der politischen Beteuerung die Bodenversiegelung eindämmen zu wollen – nach wie vor nahezu wie Schwammerl aus dem Boden wachsen, leider immer kleiner. Umso wichtiger ist es der Bevölkerung die Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges bewusst zu machen. Ein Mittel dazu ist das große Erntedank-Festival, welches die Vertreter der einheimischen Land- und Forstwirtschaft alljährlich am Heldenplatz veranstalten, um sich zu präsentieren und ihre Leistungen in Erinnerung zu rufen. Im Zuge dieser zweitägigen Feier am ersten September-Wochenende wurden unter anderem neben Informationen und Blasmusik vor allem zahlreiche kulinarische Genüsse aus verschiedenen Regionen angeboten.

Wie bei ähnlichen Feiern, die um diese Jahreszeit allerorts – aber besonders im ländlichen Raum – begangen werden, gilt der Dank nicht nur den Landwirten und ihren Helfern, sondern in erster Linie dem Wetter, für das nach einem alten Volks(aber)glauben Petrus zuständig ist, indem er das richtige Mittelmaß an Regen und Sonnenschein durch die Himmelstüre auf die Erde kommen lässt, um eine ertragreiche Ernte zu ermöglichen. In den Pfarrgemeinden werden daher üblicherweise Erntedank-Gottesdienste abgehalten und auch anlässlich des Festes am Heldenplatz wurde eine feierliche Segnung der Ernte vorgenommen. Bei seiner Ansprache wies Dompfarrer Toni Faber darauf hin, wie wichtig die Dankbarkeit ist. Als negatives Gegenbeispiel nahm er Bezug auf die aktuelle, internationale Politik und verwies explizit auf die Anführer der Großmächte, welche sich in ihrer Selbstherrlichkeit gegenseitig überbieten und andere mit ihren Forderungen und Drohungen einschüchtern. Der Dompfarrer betete für Frieden und Gerechtigkeit und betonte mehrmals die Bedeutung des Dankens, um diese Ziele zu erreichen, bevor er seinen Segen für die Ernte spendete. Danach begann der Erntedank-Umzug über den Heldenplatz, an dem verschiedene Gärtnereien, Gemüse- und Obstbauern, aber auch z.B. Imker, Jäger und Winzer mit 25 festlich geschmückten Traktoren und Anhängern, teilnahmen.

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Noch vor 150 Jahren lebte weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung unmittelbar von der Landwirtschaft. Erst durch die zunehmende Industrialisierung und die Entwicklung großer moderner Landmaschinen wurden die Landarbeiter in den meisten Bereichen verdrängt und mussten sich als Arbeiter auf Baustellen oder in Fabriken ihren Lebensunterhalt verdienen. Heutzutage sind nur mehr rund 3% der Erwerbstätigen in der Agrarwirtschaft, etwa 25% in der Industrie, aber mehr als 70% im Dienstleistungs-Sektor (z.B. Handel, Gesundheits- und Sozialberufe) tätig. Gerade in vielen Bereichen der Dienstleistung werden jahraus, jahrein dieselben Arbeiten verrichtet und die „Früchte der Arbeit“ sind dort nicht so offensichtlich zu erkennen, wie eine gute Erntesaison in der Landwirtschaft. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, ist es für Führungskräfte daher nicht immer leicht ihren Mitarbeitern ausreichend Anerkennung und Dankbarkeit zu zollen, weil deren Leistungen, wenn sie den Erwartungen des Dienstgebers bzw. Vorgesetzten entsprechen, ohnedies als Selbstverständlichkeit angesehen werden. Natürlich werden Prämien und Gehaltserhöhungen nach Ende eines erfolgreichen Wirtschaftsjahres von allen Arbeitskräften gerne gesehen, aber mindestens ebenso wichtig für ein gutes Betriebsklima ist es auch zwischendurch für besondere Leistungen und ordentlich erbrachten Tätigkeiten zu danken.

Die Kultur des Dankens ist auch bei allen Arten von ehrenamtlichen Tätigkeiten von großer Bedeutung, zumal dort eine finanzielle Abgeltung der Bemühungen fehlt. Deshalb werden auch immer wieder Freiwillige, die ihre Freizeit für eine gute Sache opfern und sich besonders engagiert haben, vor den Vorhang gebeten und – stellvertretend für ihre zahlreichen Kollegen – mit Auszeichnungen als Zeichen der Dankbarkeit geehrt. Bei Studentenverbindungen ist das nicht viel anders und teilweise sogar in der Geschäftsordnung ausdrücklich vorgesehen. Nach Ende der jeweiligen Funktionsperiode, welche bei der Aktivitas in der Regel ein Semester dauert und bei der Altherrenschaft meist einen längeren Zeitraum umfasst, werden die Chargen, welche ihre Aufgaben zur allgemeinen Zufriedenheit erfüllt haben, nicht nur „schlicht“, sondern „mit Dank“ dechargiert und im Falle von besonders herausragenden Leistungen wird ihnen sogar „Dank und Anerkennung“ ausgesprochen. Diese Unterscheidung erscheint mit persönlich sehr wichtig. Ich habe auch schon erlebt, dass aus falsch verstandener Bundesbrüderlichkeit auch bei mittelmäßiger Amtsausübung großzügige Kalküle als vermeintliche Motivation für die Zukunft verteilt wurden. Doch wozu soll man sich dann noch anstrengen, wenn ohnedies keine Steigerung bei der Leistungsbeurteilung mehr möglich ist?

Noch wichtiger, als auf Dankbarkeit seitens des Arbeitgebers oder anderer Organisationen für die man sich engagiert hat, wie z.B. der Verbindung, zu hoffen und – mitunter vergeblich – zu warten, ist es über die eigene Situation nachzudenken und dafür zu danken, dass es vermutlich den meisten von uns wesentlich besser geht, als vielen anderen Menschen in Europa oder gar dem Rest der Welt. Wir leben
in Österreich – Gott sei Dank! – schon lange in Frieden und können nur hoffen, dass dies trotz der von außen in unser Land hereingetragenen Probleme noch lange so bleibt. Wenn dann auch noch die persönlichen Lebensumstände, insbesondere Familie und Gesundheit, einigermaßen zufriedenstellend sind und einem größere Schicksalsschläge erspart bleiben, kann man sich glücklich schätzen und sollte dafür dankbar sein.

DDr.cer. Raffael

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