Blech-Blog

 Ideen und Pläne zur Reichsreform (3.Teil)

Es ist kein Jux, sondern die Fortsetzung des Beitrages unseres gleichnamigen Bundesbruders über die Geschichte des ehemaligen Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn, von der wir diesmal den dritten von fünf Teilen bringen.

Der Ausgleich mit Ungarn und die Dezemberverfassung 1867.

Anm. d. Red.: Aus technischen Gründen sind allfällige diakritische Schriftzeichen in den vorkommenden Namen in der HTML-Version nicht darstellbar.

Durch das Kaiserliche Manifest vom 4. März 1849 wurde der Reichstag aufgelöst und eine neue Verfassung oktroyiert. Der Monarch drückte im Manifest seine Enttäuschung über den Zustand des Reiches und über das Wirken des Reichstages aus. Er vermied es auf Einzelheiten des Verfassungsentwurfes des Reichstages einzugehen. Es soll nun versucht werden diese, aus seiner Sicht „Giftzähne“, zu beschreiben: 

„§1. Alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus. Vor dem Gesetz sind alle Staatsbürger gleich. Alle Standesrechte sind abgeschafft. Adelsbezeichnungen jeder Art werden vom Staate weder verliehen noch anerkannt.“ Schon dieser Paragraph würde für den Kaiser einen Machtverlust bedeuten, sein Gottesgnadentum wäre infrage gestellt.

Gleichfalls wäre eine Vereidigung vor dem Reichstag, wie im § 43 vorgesehen, eine Beschädigung seines Gottesgnadentums. Unmittelbar nach dem Regierungsantritt müsste der Kaiser vor dem versammelten Reichstag folgenden Eid schwören: „Ich schwöre die Constitution des Reiches fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren. So war mir Gott helfe.“ Diesen Bestimmungen des Verfassungsentwurfe sah sich der Kaiser vermöge seines Amtsverständnisses – seiner Sendung als Alleinherrscher von Gottes Gnaden – gezwungen, die Zustimmung versagen.

Im Zeitraum zwischen 1848 und 1860 wurden keine ernstlichen Versuche unternommen die Nationalitätenfrage zu lösen. Es gab zwar Vertreter einer „mitteleuropäischen Idee“, welche einen Staatenbund nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Nordamerika mit Wien als Bundeshauptstadt andachten. JULIUS FRÖBEL (1805-1893) wäre bereit sich mit einer monarchistischen Demokratie abzufinden, in der das Wirken des Monarchen lediglich auf die Ausübung der vollziehenden Gewalt beschränkt sein sollte.  18)

Unter Graf RICHARD BELCREDI (1823-1902) wurde ein konkreter Versuch unternommen das österreichische Kaiserreich auf der Basis konservativer Prinzipien der historischen Rechte zu gestalten. Von magyarischer Seite wurden aber bereits Forderungen nach einer dualistischen Teilung des Reiches erhoben.  19)   Die desaströse Niederlage bei Königgrätz führte zu bedeutenden politischen Änderungen: den Ausgleich mit Ungarn und zur Dezemberverfassung 1867. Doch nicht Königgrätz war die alleinige Begründung, denn bereits 1864 beschloss Franz Joseph mit Ungarn direkt zu verhandeln. In Ungarn wurde dieses Vorhaben besonders von großen Gutsbesitzern unterstützt, da sie sich durch ein gemeinsames Zollgebiet wirtschaftliche Vorteile erhofften. Auch die magyarophile Kaiserin dürfte ihren Gemahl dahingehend beeinflusst haben.

Der Wille des Kaisers zu einem zentralistischen Reich war nicht mehr zu verwirklichen. Durch eine zunehmende Sympathie deutscher Bevölkerungsteile für Bismarck war der Bestand des Reiches gefährdet. Besonders bildungsaffine Gruppierungen sahen in ihm ein Idol. Zu nennen wären hier Studenten, wie etwa Burschenschaften, Universitätsprofessoren, sowie Lehrer, die vermöge ihrer Unterrichtstätigkeit als Multiplikatoren dienten. Panslawismus bei Tschechen und Serben gefährdeten ebenso die Einheit des Reiches. Als bemerkenswert originell ist ein Spielchen Bismarcks zu bewerten, das nachdem der Waffenstillstand (Vorfrieden) in Nikolsburg bereits geschlossen war inszeniert wurde. „Trumpfkarte im Blatt Bismarcks war ein König, der König von Ungarn. In Berlin ließ man die ungarischen Migranten der 48 Revolution von der Leine und in Ungarn hieß es, man sei dort nicht länger auf die Habsburger abgewiesen. Prinz Friedrich Karl von Preußen sei bereit, König von Ungarn zu werden. Auch ein Landfremder, aber immerhin kein Habsburger und kein Österreicher.“  20)

Bereits Ende 1864, und nicht wie oft behauptet wird erst nach der militärischen Niederlage bei Königgrätz, kam es zu Geheimverhandlungen mit Ferenc Deak. Deak, der Einiger der ungarischen Liberalen erkannte, dass eine völlige Rückkehr zur Verfassung von 1849 Ungarn schaden könnte und dass ferner weitergehende demokratische Reformen nachteilig für die bisher herrschenden Schichten Ungarns sein könnten, da ihnen dann eine Mehrheit meist nichtmagyarischer Bauern gegenüberstünde.

Auf den umfangreichen Inhalt des Ausgleiches kann nur kurz, Pädagogen nennen es mit „Mut zur Lücke“, eingegangen werden. Für das Kaisertum Österreich wurde nach heftigen Diskussionen der Name „Österreichisch-Ungarische Monarchie“ bestimmt. Diese gliederte sich in zwei Staaten; im Volksmund „Österreich“ und „Ungarn“. Als amtliche Namen dienten „Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder“ und „Die Länder der Heiligen Ungarischen Krone“. In offiziösen Formulierungen sprach man von „Cisleithanien“ und „Transleithanien“. Der in Österreich oft gebrauchte Begriff „Reichshälften“ war in Ungarn verpönt. Das Verhältnis beider Staaten bestand in einer „Realunion“. Dies bedeutet eine Verbindung zweier staatsrechtlich selbständiger Staaten durch ein Staatsoberhaupt und gemeinsame verfassungsrechtliche staatliche Institutionen. Davon ist eine „Personalunion“ zu unterscheiden, in welcher lediglich die Person des Herrschers die Verbindung zwischen beiden Staaten bildet.

Nun, wieder mit Mut zur Lücke, zu den Gemeinsamkeiten: Das Staatsoberhaupt führte in Österreich den Titel Kaiser, in Ungarn den Titel König. Es gab ein gemeinsames österreichisch-ungarisches Außenministerium, ebenso gemeinsame Botschaften und Konsulate. Ein gemeinsames Heer und die gemeinsame Kriegsflotte. Kommandosprache war Deutsch; als Regimentssprache diente die Sprache der Mehrheit der Soldaten. Neben einem gemeinsamen österreichisch-ungarischen Kriegsminister gab es noch einen ungarischen Honvédminister und einen österreichischen Landesverteidigungsminister, dies weil in der Reserve die Streitkräfte beider Staaten getrennt waren. Jener Teil der Finanzen, der gemeinsamen Angelegenheiten diente wurde von einem gemeinsamen österreichisch-ungarischen Finanzminister geleitet. Allen gemeinsamen Institutionen wurde die Abkürzung „k.u.k.“ hinzugefügt. Für österreichische „k.k“; für ungarische „k.u.“ oder als besondere Feinheit „m.k.“

Zu den Besonderheiten zählte das Fehlen einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik. Es wurde ein „Zoll- und Wirtschaftsbündnis“, sowie ein eine gemeinsame Zollgrenze, für jeweils einen Zeitraum von 10 Jahren abgeschlossen. Alle 10 Jahre musste dieses Wirtschaftsbündnis erneut verhandelt werden, was die ungarische Seite dazu benützt wurde immer neue Forderungen einzubringen. Die Aufwendungen für gemeinsame Angelegenheiten wurden durch ein Übereinkommen zwischen beiden Parlamenten geregelt. Alle zehn Jahre wurden Quoten festgesetzt und durch den Monarchen sanktioniert. Kam es zu keiner Übereinkunft konnte der Monarch diese bestimmen; allerdings nur für ein Jahr. Die Durchführung dieser Bestimmungen gelang öfters nicht friktionsfrei. Dazu A. KANN: „Diese Bestimmung der zehnjährigen Regelung führte bedauerlicherweise in regelmäßigen Abständen zu einer schweren Krise, ganz abgesehen von den sonstigen unregelmäßig, aber häufig auftretenden Konflikten in den österreichisch-ungarischen Beziehungen. Die Ausgleichskrisen untergruben die Grundlagen des Bündnisses und schränkten die Aktionsfreiheit der Monarchie in ihrer Innen- und Außenpolitik ein.“  21)

Die gemeinsamen Minister mussten das Vertrauen beider Parlamente und beider Regierungen besitzen. Auf parlamentarischer Ebene existierten sogenannte Delegationen, laut GÖRLICH-ROMANIK quasi ein „Embryo einer gemeinsamen Volksvertretung.“  22)  Jedoch um den Eindruck einer solchen zu vermeiden tagten diese getrennt. Ihre Tätigkeit bestand in der Festlegung besagter Quoten. Durchschnittlich betrug der österreichische Beitrag 72%, der ungarische Beitrag 28% des gemeinsamen Budgets.

Durch den Ausgleich entstanden zwei Reichshälften die ethnisch inhomogen waren. Weitere Ausgleiche sollten deshalb innerhalb beider Reichshälften folgen. Kritik gab es vor allem am Dualismus. Sie kam besonders von tschechischer Seite. Bereits 1865 schrieb Palacky in seinem Werk „Österreichs Staatsidee“: „Der Tag, an dem der Dualismus proklamiert wird, wird zugleich mit unwiderstehlicher Naturnotwendigkeit der Geburtstag des Panslawismus in seiner am wenigsten erfreulichen Gestalt werden; als Paten werden ihm die Führer des Dualismus stehen. Wir Slawen werden zwar mit gerechtem Schmerz, aber ohne Furcht entgegensehen. Wir waren vor Österreich, wir werden auch nach ihm sein.“ 23)

Im Reichsrat nutzten die „österreichischen“ Abgeordneten die Möglichkeit, als Zugeständnis für die Akzeptanz des Ausgleiches, die „Dezemberverfassung 1867“ zu erwirken. Es war dies das erste Mal, dass eine Verfassung, obwohl sie auf Wunsch des Kaisers diese Bezeichnung nicht führen durfte, nicht oktroyiert wurde. Es wurden daher lediglich fünf „Staatsgrundgesetze“ verabschiedet, von denen „Das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder“ für das Leben der, hier nicht als Untertanen bezeichneten Menschen, entscheidend sein sollte. Im derzeitigen Parlament gedachte man dieser vor 150 Jahren erlassenen Verfassungsnorm.  24)              Bei einer feierlichen Veranstaltung im Großen Redoutensaal der Hofburg unterstrich die Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger die aktuelle Bedeutung dieses Gesetzes: „Das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 ist bis heute ein zentraler Bestandteil des österreichischen Verfassungsrechts und damit auch die Grundlage der Republik Österreich.“  25)       

Ich gestatte mir kurze abschließende Bemerkungen: Zum gemeinsamen Ministerrat wurden bereits ab 1868 beide Ministerpräsidenten zugezogen. Nicht nur im Gesamtreich, sondern auch in beiden Teilstaaten, waren Außenpolitik und Heerwesen dem Monarchen vorbehalten. In diesen grundlegenden Bereichen blieb er absoluter Herrscher.

Nach 1866 wäre eine Verständigung mit den österreichischen Slawen günstig gewesen. Eine solche mit den Magyaren erschien aber, um die Monarchie zu stabilisieren, vorrangig. Man betrachtete es als opportun sich in Österreich auf die Deutschen, und in Ungarn auf die Magyaren zu stützen. Viele Volksgruppen fühlten sich durch den Dualismus übergangen; die Slawen hätten einen Trialismus bevorzugt. Dies gilt besonders für die Kroaten des Königreichs Ungarn, die während der ungarischen Revolution in Treue zu Habsburg Krone kämpften.

 

Text: AH Jux

Fortsetzung folgt

 

18) Robert A. Kann. Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie. 2. Band. S.81.

19)  Ebenda, S.132.

20)  Heinrich Drimmel. Franz Joseph. Amalthea Verlag Wien München 1983. S.232.

21)  A. Kann. Bd.1. S.31.

22)  GÖRLICH-ROMANIK. S.420.

23)  Ebenda. S.419.

24)  Parlamentskorrespondenz Nr. 1176 vom 11.12.1917.

25)  Ebenda.

QUELLEN

Als Grundlagen dienten folgende Bücher:

  • Ernst Bruckmüller. Österreichische Geschichte. Böhlau Verlag Wien Köln Weimar. 2019.
  • Heinrich Drimmel. Franz Joseph. Amalthea Wien München. 1983.
  • Ernst Joseph Görlich-Felix Romanik. Geschichte Österreichs. Tyrolia-Verlag. Innsbruck Wien. 1966.
  • Robert A. Kann. Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie.
  • Erster Band: Das Reich und die Völker. Zweiter Band: Ideen und Pläne zur Reichsreform. Verlag Hermann Böhlaus Nachf./ Graz-Köln. 1964.
  • Alfred Payerleitner. Adler und Löwe. Krenmayr & Scheriau. Wien.1990.

_______________________________________

Zurück zur Startseite