Blech-Blog

Traumschiff

Kreuzfahrten sind eine Reiseform, die scheinbar immer beliebter wird. Frühere Seefahrten waren zumeist keine Vergnügungsreisen, wie die Erinnerung an historische Seeschlachten beweist.

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Obwohl – wie ich erst kürzlich im Beitrag „Die Leinen los“ erwähnt habe – der Frühsommer meines Erachtens eigentlich die schönste Jahreszeit für einen Urlaub ist, verreisen die meisten Menschen traditionell in den Monaten Juli und August. Das hat nicht nur mit den Schulferien zu tun, an die viele Urlauber aus familiären oder beruflichen Gründen gebunden sind, sondern auch mit der Sehnsucht nach einem Badeurlaub am Meer oder zumindest an einen der schönen heimischen Seen. Diese Sehnsucht nach dem Wasser könnte nach den Theorien von Zoologen und Verhaltensforschern wie z.B. Desmond Morris, der u.a. als Autor des Buches „Der nackte Affe“ weltbekannt wurde, darauf zurückzuführen sein, dass unsere Vorfahren im Pliozän vor 5 bis 6 Millionen Jahren, als sich die Urmenschen von anderen Primaten abspalteten, an der ostafrikanischen Meeresküste oder auf vorgelagerten Inseln gelebt haben. Die Anpassung an diesen Lebensraum könnte auch erklären, warum unsere Spezies das dichte Fell mit der Zeit verloren hat und im Unterschied zu Affen – aber so wie andere Meeressäugetiere – eine Fettschicht unter der Haut entwickelt hat und weshalb Menschen im Relation zu anderen Landbewohnern relativ gute Schwimmer sind.

Doch zurück zur jüngeren Vergangenheit und zur Gegenwart. In den zurückliegenden Jahrzehnten hat sich der Hochsommer für Urlaube ideal erwiesen, weil man in dieser Jahreszeit mit relativ stabilem Schönwetter rechnen konnte, das nicht nur zum Baden, sondern beispielsweise auch für Wanderungen im Gebirge am besten geeignet ist. In den letzten Jahren macht sich jedoch die Veränderung des Klimas deutlich bemerkbar. Abgesehen von der Häufung von Naturkatastrophen, wie Überflutungen und Muren nach Starkregen, Verwüstungen durch Stürme oder ungewöhnlich große Hagelkörner sowie durch Hitze und Gewitter ausgelöste Waldbrände, ist mancherorts der Temperaturanstieg kaum mehr auszuhalten. Mitte Juli wurden in Südeuropa teilweise über 40 Grad Celsius gemessen, weshalb für etliche Städte in Italien, Spanien und Griechenland eine Hitzewarnung ausgegeben wurde und der Zugang zu manchen Sehenswürdigkeiten, wie z.B. der Akropolis, zeitweise gesperrt werden musste. Auch die Temperatur des Mittelmeeres stieg vielerorts auf beinahe 30 Grad an und bietet daher kaum mehr Abkühlung, sofern einem der durch die Erwärmung verursachte Algenschleim den Aufenthalt im Wasser nicht ohnedies verleidet. Vermutlich wird die Entwicklung des Massentourismus sowie des dadurch mitverursachten Klimawandels in absehbarer Zeit zu einer Veränderung der Urlaubsgewohnheiten führen müssen.

Eine individuelle Veränderung der Reisegewohnheiten kann wahrscheinlich jeder bei sich selbst beobachten. Während viele junge Menschen mit nur einem Rucksack auskommen, wenn sie um die halbe Welt trampen, nimmt mit fortschreitendem Alter und steigendem Einkommen der Wunsch nach Komfort stetig zu. Aus diesem Grund verzichten insbesondere Pensionisten gerne darauf mit dem eigenen Auto in fremden Ländern durch die meist sehr engen Gassen der Altstädte zu fahren, um sich dann stundenlang bei den Sehenswürdigkeiten anzustellen bis sie eine Eintrittskarte ergattern, sondern nutzen den Vorteil von Gesellschaftsreisen und lassen sich vom Buschauffeur nahe an den Touristenattraktionen absetzen, wo für die Gruppe schon eine Eintrittszeit vorreserviert ist. Besonders bequem ist es, wenn einem während derartiger Reisen ein häufiger Wechsel des Hotels erspart bleibt, wie das bei Sternfahrten von einem fixen Quartier aus der Fall ist oder bei Kreuzfahrten, bei denen sich das „Hotelzimmer“ meist während der Nacht von einem Ort zum nächsten bewegt und man tagsüber Zeit für Besichtigungen hat. Auch ich selbst habe schon einige Male an derartigen Busreisen bzw. Flusskreuzfahrten teilgenommen und den damit verbundenen Komfort genossen. Was mich allerdings überhaupt nicht reizt sind Kreuzfahrten auf riesigen „Traumschiffen“, bei denen man tagelang mit tausenden anderen Menschen in einer Kleinstadt auf dem Meer verbringt. Mit Schrecken habe ich in Venedig beobachtet, wie diese schwimmenden Hochhäuser an den historischen Palazzi vorbeifahren und mit ihren Wellen den Untergang der prächtigen Lagunenstadt beschleunigen. In der Altstadt von Dubrovnik habe ich erlebt, dass wegen der Landgänge der Kreuzfahrer jeden Vormittag an den Stadttoren vorübergehend Einbahnen für Fußgänger erreichtet werden, damit die Ströme von Touristengruppen, angeführt von Reiseleitern mit nummerierten Namenstafeln, nacheinander geordnet in die Stadt hinein und nach einem kurzen Rundgang wieder hinaus gehen können.

In früheren Zeiten war eine Seefahrt wohl etwas ganz anderes. Abgesehen von der Fischerei wurden Schiffe lange Zeit nur für militärische Zwecke und für den Fernhandel eingesetzt. Die Matrosen, die auf diesen Schiffen anheuerten, waren Abenteurer, von denen so mancher die Reise mit seinem Leben bezahlte. Auch für Auswanderer war die Fahrt an Bord eines Handelsschiffes alles andere als unterhaltsam, da sie wohl nur als Teil der Ladung angesehen wurden. Erst um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert begann die Ära der Vergnügungsreisen zur See. Der Österreichische Lloyd war damals die größte Schifffahrtsgesellschaft des Mittelmeeres und hatte seinen Sitz in Triest, wohin auch der wichtigste Seehafen der k.u.k. Kriegsmarine, nach seinen Anfängen in Venedig, verlegt wurde.  Ein weiterer bedeutender Marinestützpunkt zum Schutz der österreichischen Küstenlande war in Pola. Im Juni 1866 erklärten die Italiener Österreich den Krieg und wollten die gegnerischen Schiffe in der Adria zerstören. Daher ergriff Kontreadmiral Wilhelm von Tegetthoff die nötigen Maßnahmen, um bei der richtigen Gelegenheit offensiv gegen die feindliche Flotte vorgehen zu können. Erst am 20. Juli kam es dann zur entscheidenden Seeschlacht bei Lissa, aus der Tegetthoff bekanntlich siegreich hervorging und danach zum Vizeadmiral ernannt wurde.

Zur Erinnerung an dieses Ereignis schlug die KÖML Tegetthoff zum neunten Mal in Folge am Jahrestag der ruhmreichen Seeschlacht, am Samstag den 20.7.2024, eine Lissa-Kneipe. Im Vorfeld hatten manche Bundesbrüder die Hoffnung, dass die heurige Veranstaltung an die Erfolge der ersten Jahre anknüpfen kann, zumal unsere „Mannschaft“ inzwischen etwas verstärkt und verjüngt wurde. Daher hat sich Dr.cer. Archimedes bereit erklärt die Getränkevorräte der Kombüse, die für mindestens 30 Personen gereicht hätten, auf beinahe die doppelte Menge aufzustocken, um für den erwarteten Besucheransturm gerüstet zu sein. Doch diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt. Es ist nicht bekannt, ob es am Wochentag oder an der aktuellen Hitzewelle lag oder ob heuer mehr Bundesbrüder als sonst in dieser Woche auf Urlaub waren, jedenfalls war es diesmal leider eine der am schwächsten besuchten Kneipen des Semesters. Dafür wurde aber den anwesenden Teilnehmern etwas Besonderes geboten.

Der hohe Phil-xx2 Archimedes, der zwecks Entlastung des Philisterseniors angeboten hat die Kneipe zu schlagen, stellte sich der Corona als Kapitän einer Vergnügungsfahrt vor und benannte den Kneipsaal zur Erinnerung an das Flaggschiff unseres Namenspatrons bei der Schlacht und an einen unserer bedeutendsten verstorbenen Bundesbrüder in „SMS Schwarzenberg“ um. Außerdem ließ er – abgesehen vom Ersten und Letzten Allgemeinen – nur Seemannslieder bzw. – schlager singen, deren Texte in einem von ihm vorbereiteten Programmheft zu finden waren. Während beim ersten Lied die Melodie der Strophen die Sänger vor einige Schwierigkeiten stellte und nur der Refrain gut gelang, waren die beiden anderen allseits bekannt und wurden lautstark gesungen. Da über die Schlacht von Lissa in den Vorjahren schon viel erzählt worden war, hielt der hohe Phil-x Lucullus im Laufe der Kneipe eine ausführliche und fundierte Rede über das Seegefecht von Helgoland vor 160 Jahren, über das wir im Blech-Boten 4/2024 bereits kurz berichtet haben. Zum Abschluss erzählte er noch ein besonderes Bonmot: Das von uns gesungene Lied „Seemann, deine Heimat ist das Meer“ von Lolita wurde unter anderem auch von Freddy Quinn interpretiert, dessen Adoptivvater laut Wikipedia Rudolf Anatol Freiherr von Petz war. Dieser war ein Enkel des Vizeadmirals Anton von Petz, welcher als Kommandant der „SMS Kaiser“ bei der Seeschlacht vor Lissa einem italienischen Schiff durch einen Rammstoß schweren Schaden zugefügt und so zum Erfolg der österreichischen k.u.k. Kriegsmarine beigetragen hat. Unser wld. Bb Oberst i.R. Rüdiger Freiherr von Petz vlg. Paragraph war somit möglicherweise ein Stiefbruder (oder Cousin) des Schlagersängers. Als nächster Programmpunkt nach der Rede wurde eine „Sturmwarnung“ ausgerufen und es stieg ein Tegetthoff-Comment, den wir in so perfekter Form schon lange nicht mehr erlebt haben. Schon deshalb hat sich der Besuch unseres „Traumschiffs“ für alle Anwesenden wirklich gelohnt.

Text und Bilder: DDr.cer. Raffael

 

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