Sein oder Nichtsein?
Dieses bekannte Zitat wird oft in einem falschen Zusammenhang dargestellt. In der Literatur ist zwar nicht jedes Drama eine Tragödie, aber in der Realität leider sehr oft schon.
Die Tage um Allerheiligen sind eine willkommene Gelegenheit, um über das Dasein nachzudenken. Dabei ist mir das bekannte Zitat „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage“ aus William Shakespeares Tragödie „Hamlet“ in den Sinn gekommen. In diesem Monolog philosophiert die Hauptfigur des Stücks darüber, ob es besser ist zu leben und das eigene Schicksal zu ertragen oder – trotz der Ungewissheit was danach kommt – zu sterben. Oft wird dieser Text fälschlich mit einer Abbildung von Hamlet, der einen Totenkopf in der Hand hält, kombiniert. Diese Darstellung stammt jedoch aus einer ganz anderen Szene, in der er einen Schädel findet, als ein Grab für Ophelia ausgehoben wird.

Die Dramatik zählt neben der Lyrik und der Epik zu den drei Grundformen der klassischen Literatur, denen alle literarischen Texte zugeordnet werden können. Lieder und Gedichte sind Beispiele für die Gattung der Lyrik, erzählende Texte wie z.B. Sagen, Novellen oder Romane sind hingegen epische Werke. Dramen sind im Unterschied dazu als Schauspiel zur Darbietung auf Bühnen gedacht, wobei wiederum zwei Hauptarten unterschieden werden: Komödien, welche die Menschen unterhalten sollen und in der Regel glücklich enden sowie Tragödien, die sich oft mit Konfliktthemen auseinandersetzen und ein trauriges Ende nehmen. Daneben gibt es natürlich noch zahlreiche Unterarten bzw. Mischformen, wie etwa die Tragikomödien. Somit ist nicht jedes Drama eine Tragödie, umgekehrt aber sehr wohl. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Bezeichnung „Drama“ dagegen üblicherweise nur in Verbindung mit mehr oder weniger tragischen Ereignissen verwendet. Als „dramatisch“ kann man durchaus auch die Vorgänge bezeichnen, die sich in den letzten 18 Monaten in der Blechturmgasse abgespielt haben. Die Geschehnisse bei KÖML Tegetthoff haben mich zu einer Geschichte im Stile eines Shakespeare-Dramas inspiriert, die sich nach Art eines Schauspielführers wie folgt zusammenfassen ließe:
„Ein kleines Land mit einem schwachen König möchte das Jubiläum seiner Gründung groß feiern. Dazu werden Söldnertruppen angeheuert, mit deren Hilfe es gelingt auch junge Soldaten zu rekrutieren, die bereits anderswo ihre Grundausbildung absolviert hatten. Diese werden von der gesamten Bevölkerung mit Handgeklapper und Jubelrufen freudig begrüßt. Da der Plan des Söldnerführers, weitere seiner Gefolgsleute in das Land einzuschleusen, nicht aufgeht, beschließt er den Hofnarren, der bekanntlich immer die Wahrheit sagt und dadurch seine Absichten durchkreuzt hat, eliminieren zu lassen. Der amtsmüde König und dessen Ziehsohn, denen es beim ersten Versuch nicht gelungen ist, den Hofnarren, der zugleich Schatzmeister ist, und drei weitere Minister, die dem Land ebenfalls stets treu und eifriger als alle anderen gedient haben, zu beseitigen, beteiligen sich an dieser Verschwörung. Es gelingt ihnen einen alten, seinerzeit hoch dekorierten, aber mittlerweile sehr verwirrten Veteranen und einige im Untergrund versteckte Mitstreiter, die jahrelang kaum bei Hofe zu sehen waren, für sich zu gewinnen. Doch erst nachdem es trotz der Spannungen innerhalb der Bevölkerung gelungen ist, mit Hilfe der jungen Soldaten ein – nach außen hin großartig wirkendes – Fest zu feiern, bei dem sich der König in seinem vermeintlichen Ruhm sonnen konnte, wird der von langer Hand geplante Umsturz durchgeführt. Zuerst wird der Hofnarr seines Sprachrohrs beraubt, mit dessen Hilfe er nicht nur die Bevölkerung des eigenen Landes, sondern auch befreundete Nachbarn informiert und unterhalten hat. Danach werden sämtliche treuen Minister, welche ohnedies bereits damit gerechnet haben am Ende ihrer Funktionsperiode ihre Aufgaben geordnet an Nachfolger übergeben zu müssen, in staatsstreichartiger Weise fristlos ihrer Ämter enthoben und der alte König, der schon vor Jahren angekündigt hatte sich nach dem Jubiläum zurückziehen zu wollen, übergibt die Regierungsgeschäfte an seinen Ziehsohn und dessen neue Minister, obwohl diese nach außen hin noch gar nicht zur Amtsführung legitimiert sind.“
Diese Geschichte wäre eigentlich zum Lachen, wenn sie nicht gleichzeitig so tragisch für das betroffene Land wäre.

Ein weiteres Trauerspiel fand am 2. November 2025 statt. Die Aktivitas der Tegetthoff hatte beschlossen nach CV-Manier eine pauschale Trauerkneipe für alle verstorbenen Bundesbrüder abzuhalten, an der sich auch Carolina beteiligte, obwohl es keinen konkreten Anlassfall dafür gab, da für den einzigen im abgelaufenen Jahr verstorbenen Bundesbruder, wld. Dr.cer. Pollux, ohnedies eine individuelle Trauerkneipe zelebriert worden war. Außer dem hohen Senior der TEW waren zu der mit s.t. angesetzten Beginnzeit von Carolina AH Augustus sowie der gesamte AH-ChC anwesend, während die Altherrenschaft Tegetthoffs nur von unserem semesterältesten Wiedergründungsmitglied Dr.cer. Odin vertreten wurde. Mit etwas Verspätung stießen auch der alte und der neue Philistersenior dazu, womit der ehemalige AH-ChC Tegetthoffs komplett war. Von den übrigen neuen AH-Chargen fehlte jede Spur. Diese haben sich mit Ausnahme von Ph-xx Corvinus, der in seiner Eigenschaft als Urmitglied Carolinas sowie e.v. Normannia bei den beiden Stiftungsfesten von Tegetthoffs Freundschaftsverbindungen dabei war, seit Monaten bei keiner Veranstaltung außer dem AHC blicken lassen. Von Tegetthoffs Aktivitas waren insgesamt drei der fünf Chargen und unser Krassfuchs Custodius zur Trauerkneipe gekommen. Diese wurde von Napoleon in würdiger Form geschlagen und Ph-x Dante hielt seine vorbereitete, sehr gute Ansprache, in der im Sinne aller verstorbenen Vorbilder zu jener Einigkeit aufrief, von der im letzten Jahr nicht viel zu spüren war.
Im Anschluss an das Totengedenken auf der Tegetthoffbude versammelten sich die anwesenden Carolinen auf der eigenen Bude. Trotz zweier wichtiger Tagesordnungspunkte hatten es nicht mehr als vier Bundesbrüder der Mühe wert gefunden zum Cumulativ-Convent zu erscheinen, um unter anderem das im nächsten Jahr anstehenden 90. Stiftungsfest zu besprechen. Auch jene zwei Carolinen fehlten, die maßgeblich an den Unruhen bei TEW beteiligt waren und von denen ich einen vor knapp drei Jahren um Unterstützung für Carolina (!) gebeten hatte – bevor er das Band Tegetthoffs erhielt und begann diese in seinem Sinn zu „reformieren“. Es ist zu befürchten, dass uns eine wirkliche Tragödie bevorsteht, in der über das Sein oder Nichtsein der Carolina entschieden werden wird. Aber noch gebe ich die Hoffnung nicht ganz auf, dass es uns gelingt eine würdige Lösung herbeizuführen, damit unsere Korporation im Jubeljahr nicht sang- und klanglos „ins Gras beißen“ muss.


DDr.cer. Raffael
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