Blech-Blog

Normalität

Kein Jux, sondern Gedanken zum Begriff „Normalität“. Was gilt heute schon (Anm.: oder noch) als normal?

Die Soziologie bezeichnet Normalität als das Selbstverständliche in einer Gesellschaft, das nicht mehr erklärt und über das nicht mehr entschieden werden muss. Dieses Selbstverständliche setzt soziale Normen und ist die Grundlage für konkrete soziale Verhaltensweisen einer Gesellschaft. Die Vermittlung erfolgt durch Erziehung und Sozialisation in verschiedenen Bereichen einer Gesellschaft. In Metzlers Philosophie Lexikon werden die Begriffe Normal, Normalität deskriptiv zur Beschreibung der statistischen Häufigkeit (Normalverteilung) und präskriptiv zur Beschreibung einer Norm verwendet. In der griechischen philosophischen Tradition wird „Normalität“ mit „Naturgemäßheit“ gleichgesetzt. In der Psychologie wird der Gegenbegriff „Anomalie“ als „Pathologie“ verstanden. Popper hält es nicht für die Aufgabe der Philosophie Begriffe zu analysieren beziehungsweise zu erklären, denn Begriffe wären bloß Werkzeuge um Aussagen, Annahmen oder Theorien zu formulieren. Auch, so Popper, könnten Begriffe weder wahr noch falsch sein. Statt Bedeutungen von Begriffen zu analysieren sollte die Philosophie nach wahren Theorien suchen. 1)

Da, wie oben beschrieben, Normalität als selbstverständlich gilt und nicht mehr einer weiteren Erläuterung bedarf, enden solche Diskussionen meist in kleingeistigen Haarspaltereien. Dies soll mit Beispielen erläutert werden: Eine Person frühstückt Kaffee, ein weiches Ei, eine Semmel und ein Glas Orangensaft. Eine andere Peron beginnt das Frühstück mit Zigaretten und setzt mit einem Stamperl Schnaps nach. Abgerundet wird dieses Frühstück mit einer Flasche Bier. Eine Diskussion darüber welches Frühstück normal oder abnorm wäre dürfte sich hier wohl erübrigen. In unserer Gesellschaft wird das Gegensatzpaar normal und anormal als wertendes Attribut, wie gut und schlecht oder richtig und falsch gebraucht. Das Normale ist an sich selbst weder wahr oder falsch. Trotz dieser Paradoxie (etwas Widersinniges, Widersprüchliches) dient es einer Gesellschaft als Messwert. Vermöge der Wandelbarkeit der Normalitäten – sie sind nicht in Stein gemeißelt – stellen sie kein absolutes, sondern bloß ein relatives Maß dar. 2)

Normalität wird von einer Gesellschaft abhängig von Zivilisation, Kultur und Generation definiert. Das Normale ist das bewährte Gewohnte, das Vertraute und das zu Regeln gewordene. Zum Normalen gehören auch gesetzte Normen. Sind diese als eine bloße, von einer Mehrheit also demokratisch willkürlich festgesetzte Übereinkunft zu werten? Dies wird von woken Gruppierungen behauptet. Dazu wird der Begriff Heteronormalität (abgeleitet von Heterosexualität) ins Treffen geführt. Es gilt Diversität (hier wieder ein Bezug zur Sexualität) sei die neue Normalität. Hier wäre einzuwenden, dass die meisten Menschen – ob heterosexuell oder homosexuell – ihre Sexualität nicht als etwas willkürlich Gesetztes, empfinden. Kaum jemand vertritt die Meinung man könne seine sexuelle Präferenz sich selbst aussuchen und nach Belieben wieder abändern. Menschen, die sich um Normalität bemühen, werden des Spießertums bezichtigt. Werte wie Tradition, religiöser Glaube, Konventionen, Heimat und – horribile dictu – Vaterland sollen auf einer historischen Müllhalde entsorgt werden. Regeln und traditionelle Institutionen werden als Hemmnisse zur Selbstverwirklichung. Auch wohnen in dörflichen Strukturen wird als zurückgeblieben bezeichnet.

Doch Regeln und Institutionen sind nicht nur Einschränkungen der persönlichen Entfaltung, sondern sie dienen der Entlastung im Zusammenleben. Es muss nicht alles immer wieder neu ausdiskutiert werden. Man kann sich auf bewährte Gewohnheiten verlassen. Die Verabschiedung von Konventionen haben die Menschen nicht freier und ihr Zusammenleben nicht leichter gemacht. Ob es gefällt oder nicht, die meisten Menschen sind heterosexuell und streben ein normales Familienleben mit Kindern, eventuell mit Hund, in einem Eigenheim mit Garten an. Die meisten Frauen wollen unmittelbar nach einer Entbindung, nicht von ihrem Kind getrennt, an ihren Arbeitsplatz erscheinen, obschon dies progressiven Ideologen reaktionär anmutet. Solche rückschrittlichen Lebensentwürfe sollen mittels „Social Engineering“ geändert werden, um sie der als richtig angesehenen Utopie anzupassen. Als gelinde Methode dazu dient das sogenannte „Nudging“ (Anstoßen oder Anschubsen). Dies ist eine Methode zu einer Verhaltensänderung, bei der Menschen dazu angehalten werden, sich für eine erwünschte Verhaltensweise zu entscheiden, ohne dass dazu Zwang ausgeübt wird. Weitere schärfere Maßnahmen wären Umerziehungsprogramme. Solche Konzepte, die auf eine vollkommene Formbarkeit von Individuen und Gesellschaften beruhen, haben nichts Emanzipatorisches vorzuweisen -im Gegenteil- es handelt sich um Vorstufen autoritärer Führung.  

Auch im Kulturbereich wird für eine „Neue Normalität“ agitiert. Als bewährtes Mittel dienen Provokationen. Beispiele dazu: Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris, Eröffnungsfeier Kulturhauptstadt Bad Ischl, Ausstellung im Linzer Dom usw. Eine Einmaligkeit stellte eine Performance des „Wiener Aktionismus“ dar. Bei dieser Aktion, die später als „Uni-Ferkelei“ benannt wurde, wurde mittels Verrichtung der Notdurft, Masturbation, Auspeitschungen, das Kleinbürgerliche radikal provoziert. Dieses Event fand am 7.Juni 1968 in einem Hörsaal der Universität Wien vor 300 Zuschauern statt. Einer der Proponenten, Otto Mühl, gründete und führte autoritär eine nach ihm benannte Kommune. Freie gemeinsame Sexualität – Kinder galten demnach als gemeinsame Kinder – und Abschaffung des Privateigentums waren verpflichtend. Die Kommunarden sollten deshalb ihr gesamtes Vermögen der Organisation zuführen. Diese Grundlagen wurden nach und nach wieder aufgehoben. Die Kommune verbürgerlichte. Nachdem Mühl 1991 zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, ihm wurden Unzucht und Beischlaf mit Unmündigen, Missbrauch des Autoritätsverhältnisses und diverse Drogendelikte zur Last gelegt, löste sich die Organisation auf.

Die Liebe zur Familie, persönlicher Freiheit und Eigentum blieb mehrheitsfähig. (Anm.: Das ist – Gott sei’s gedankt –) Ganz normal!

 

 

 

 

Text : AH Jux

  1)  Karl R. Popper. Alle Menschen sind Philosophen. Piper Verlag München,2004. S.21

  2Tamara Niebler www.die-unkognito-philosophin.de./blog

 

zurück zur Startseite

_________________________________